Mehr wissen, besser leben: Ihr Hausarzt rät!
Harninkontinenz
Harninkontinenz
bedeutet, daß der Urin willkürlich nicht gehalten werden kann.
Jeder vierte bis fünfte Mensch in Deutschland leidet mehr oder weniger stark
an Harninkontinenz. Das ist einerseits ein hygienisches Problem, weil
Hauterkrankheiten entstehen können. Andererseits bringt die Harninkontinenz
aber auch erhebliche psychische Probleme und Schwierigkeiten für die
Betroffenen mit sich:
Denken Sie an den Jugendlichen, dessen Schulklasse einen Ausflug ins
Landschulheim plant - und er ist Bettnässer.
Denken Sie an die ältere Dame, die sich nur noch aus dem Haus traut, nachdem
sie vorher genau geplant hat, wo sie welche Toiletten erreichen kann: um noch
rechtzeitig Wasser lassen zu können, bevor alles in die Hose geht! Die sich
schließlich vielleicht nicht mehr aus dem Haus traut aus Angst, mitten auf
der Straße zu stehen und das Wasser nicht mehr halten zu können.
"Harninkontinenz bringt niemanden um, nimmt einem aber das Leben",
sagt ein Spruch!
Das Schlimmste ist: die Betroffenen sind durch ihre Krankheit meist so
verunsichert und schämen sich sosehr, daß sie keine Hilfe suchen. Sie trauen
sich oft nicht, das Thema beim Hausarzt anzusprechen. Oder sie reden erst dann
mit ihm, wenn es schon gar nicht mehr anders geht. Jedenfalls vermuten
Experten eine hohe Dunkelziffer nicht erfaßter bzw. unbehandelter
Menschen.
Als normal und nicht
krankhaft kommt Harninkontinenz vor bei Säuglingen und Kleinkindern bis etwa
zum 4. Lebensalter. Erst danach sollte die Nervenversorgung
"Gehirn-Harnblase-Gehirn" soweit ausgereift sein, daß das Kleinkind
willkürlich das Wasser halten kann. Reinlichkeits-Dressur macht also keinen
Sinn, sondern quält und verunsichert das Kind nur!
Im Fall von Mißbildungen, Infektionen oder anderen Störungen körperlicher
oder seelische Art kann die Harninkontinenz über das 4. Lebensjahr hinaus
bestehen bleiben bzw. wieder erscheinen. Jede Harninkontinenz im
Kleinkindesalter jenseits des 4. Lebensjahres sollte also abgeklärt werden.
Bei entsprechenden Symptomen natürlich auch vorher. Denn im Rahmen von
allgemeinen körperlichen Störungen wie Infekten, Streß usw. kann es auch
bei normalerweise kontinenten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wieder
kurzfristig zu Harninkontinenz kommen.
Die
Häufigkeit von Harninkontinenz ist im Pubertäts- und jugendlichen
Erwachsenenalter am geringsten. Mit steigendem Alter nimmt sie wieder stetig
zu. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer: Denn ihr Beckenboden
ist von Natur aus schwächer ausgebildet, um leichter Kinder zur Welt bringen
zu können.
Wir unterscheiden als
Ursachen der Harninkontinenz:
-
Die Dranginkontinenz (die instabile
Blase sowie die ungehemmten Blase),
-
die Beckenbodenschwäche
und
-
Blasenausgangs-Hindernisse (z.B.
verengte Harnröhre, vergrößerte Prostata), die zur Überfüllung der
Harnblase und eventuell zur Überlaufblase führen.
Bei der Dranginkontinenz verspürt der
Kranke einen unwiederstehlichen Drang, sofort Wasser lassen zu müssen. Er
kann das Wasser nicht mehr halten, das Wasser läuft, bis die Blase leer ist!
Aber auch dann hat der Kranke immer noch nicht das Gefühl, wirklich fertig zu
sein: Er spürt den Harndrang immer noch!
Bei der instabilen Blase liegt die Ursache
für die Dranginkontinenz lokal in der Harnblase selbst. Entzündungen,
Harnblasentumoren oder Blasensteine irritieren die wahrnehmenden Rezeptoren in
der Blasenwand, so daß diese nach oben melden: "Blase voll". Dann
gibt die Kontrollinstanz im Hirn den Befehl: "So rasch wie möglich
Toilette aufsuchen, Wasser lassen". Durch die ständig gereizten
Rezeptoren hat man/frau das quälende Gefühl, nie fertig zu sein, sondern
dauernd wieder losrennen zu müssen. Die örtliche Entzündung bereitet
Schmerzen, manchmal sogar bis in den Rücken.
Bei der ungehemmten Blase liegt die
Störung in der Nervenleitung des Unterleibs oder des Rückenmarks, oder in
den hemmenden Gehirnzentren. Die Harnblase ist normalerweise
unbeteiligt.
Ursache können sein eine ausgedehnte Unterleibsoperation z.B. wegen einer
Krebserkrankung, eine Rückenmarksverletzung nach Verkehrsunfall oder der
Untergang von Nervenzellen im Gehirn.
Nervenzellen gehen unter durch Verschlechterung der Blutversorgung mit
zunehmendem Alter. Denn kommt es zur Verkalkung der zum Gehirn führenden
Blutgefäße. Dieser Nervenzelluntergang kann durch ständige Vergiftung
(Alkohol, Zigaretten, Arbeitsplatzgifte) oder durch Schlaganfall erheblich
beschleunigt werden. Hauptursachen der beschleunigten Arterienverkalkung sind
Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Zigarettenkonsum.
Dranginkontinenz mit ungehemmter Blase kann auch Folge einer Alzheimer Demenz
sein. Auch bei der ungehemmten Blase besteht der Drang, unbedingt Wasser
lassen zu müssen, jedoch normalerweise ohne Schmerzen.
Bei der Beckenbodenschwäche spürt die
Kranke keinen Drang, Wasser zu lassen. Wenn sich jedoch absichtlich oder
unabsichtlich den Druck im Bauch erhöht (Husten, Lachen, Niesen,
Einkaufstasche anheben), kann der schwache Beckenboden nicht ausreichend
Widerstand bieten und schwapp, verliert der Betroffene etwas Wasser.
Im Gegensatz zur Dranginkontinenz entleert sich dabei die Blase nicht
vollständig. Beckenbodenschwäche kann auftreten durch erblich bedingte
Bindegewebsschwäche, nach Geburten, besonders bei erstgebärenden Frauen
jenseits des 30. Lebensjahrs, und durch körperliche Inaktivität.
Jenseits des 40. Lebensjahrs finden wir oft eine Kombination der 3 Ursachen
Bindegewebsschwäche, körperliche Inaktivität und Zustand nach Geburten.
Blasenausgangs-Hindernisse wie narbige
Harnröhrenverengungen, bei Männern auch Prostatavergrößerung und
Prostatakrebs, lassen den Urin zunächst schlechter ablaufen. Deshalb
verstärkt und verdickt sich die Muskulatur der Harnblase, um das Hindernis
doch noch zu überwinden (Balkenblase). Wird das Hindernis immer enger,
gelingt es der Blasenmuskulatur schließlich nicht mehr, die Harnblase
ausreichend zusammenzuziehen, sie bleibt prall gefüllt bis fast zum Platzen.
Ständig und tropfenweise läuft dann der Urin in Folge des hohen Innendrucks
ab (Überlaufblase).
Die Behandlung der Harninkontinenz richtet sich
nach den jeweiligen Ursachen:
-
Bei der instabilen Blase muß die lokale
Ursache behandelt werden, also meistens ein Harnwegsinfekt, selten ein
Blasentumor und ganz selten in unseren Breiten ein
Blasenstein.
-
Bei der ungehemmten Blase können Medikamente
gegeben werden, welche die Harnblasenwand erschlaffen lassen und so den
Harndrang vermindern. Ein in Zusammenarbeit mit dem Kranken aufgestelltes
Miktionsprotokoll ermöglicht ihm, jeweils rechtzeitig zur Toilette zu
gehen.
-
Zur Behandlung der Beckenbodenschwäche ist
anfangs Beckenboden-Training sinnvoll (siehe unten!), auch kann
betroffenen Frauen ein Pessar eingesetzt werden. In ausgeprägten Fällen
wird jedoch derzeit eine chirurgische Behandlung favorisiert, die
TVT-Methode, bei der die Harnröhre sanft angehoben wird.
-
Bei Blasenausgangs-Verengungen muß die
Harnröhre auf medikamentösem oder chirurgischem Weg erweitert
werden.
-
In Fällen aber, wo andere Mittel nicht
greifen, kann der Arzt speziell für Harninkontinenz geschaffene Vorlagen
rezeptieren. Sie ermöglichen es, sich ohne Angst frei bewegen zu können,
wohin man auch gehen will. Und man muß dann nicht mehr befürchten, dass
einem unterwegs das Wasser die Beine hinunterläuft.
Das Tanzberger-Konzept zur Therapie von
Streß- und Urge-Inkontinenz und Beckenbodenschwäche
Kurze Zusammenfassung des physiotherapeutischen/krankengymnastischen
Behandlungskonzepts bei Streß-/Belastungs- und Urge-/Dranginkontinenz bei
Beckenbodenschwäche, Senkungsbeschwerden und zur Prävention:
-
Aufklären über Funktion und Anpassung der
muskulären Strukturen
"Ich kann nicht üben, was ich nicht
kenne!" (Wort/Bild/Medien)
-
Verbesserung der Topographie:
die Lage der
urogenitalen Organe ist ein dynamisches Phänomen, kein statisches.
Antischwerkraftpositionen mit Hilfsmitteln, Sprechatem mit
Explosivkonsonanten
-
Verbesserung der Durchblutung
Lagewechsel,
balneologische Anwendungen, Reflexzonenmassage, heiße Rolle
-
Fördern der reflektorischen und reaktiven
Muskelkraft
Funktionelles Üben in verschiedenen
Ausgangsstellungen und mit Hilfsmitteln
-
Analysieren und Neuerfahren der
Alltagsbewegungen
Belastungsgefahren erkennen lernen beim Stehen, Sitzen,
Bücken, Heben, Husten, Niesen, Stuhlentleeren.
Entlastende
Haltungspositionen und Bewegungsabläufe für Wirbelsäulen- und
Beckenbodenstrukturen wahrnehmen und einüben
-
Aufklären mittels mentaler, funktioneller
und mechanischer Aufschubstategien zur Kontinenzsicherung für Harnblase
und Enddarm
Verhaltensfehler bei Dranginkontinenz besprechen,
Miktionstraining, Spezielle Visualisierungshilfen erlernen und umsetzen
zur Unterstützung der normalen Organfunktion
© Tanzberger-Konzept nach Renate Tannenberger,
Krankengymnastin/Physiotherapeutin, Imaninger Str. 33, 81675 München,
T: 089 479929
Weitere Informationen finden Sie z.B. unter http://www.dieblase.de
Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie Fragen haben.
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