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Mehr wissen, besser leben - Ihr Hausarzt rät!

Hyperventilation oder "wenn die Angst kommt"! 

Sie kennen das! Scheinbar ohne Grund, oft gerade in Ruhe, werden plötzlich die Hände feucht, die Brust wird eng, so daß Sie tief Luft holen müssen. Ein Eisenreif, der drückende Kopfschmerzen verursacht, legt sich um Ihren Kopf. Ihr Magen krampft sich zusammen wie ein Stein. Das arme Herz holpert unruhig: man hat das Gefühl, gleich bleibt es stehen. Sie spürten den Puls in Hals und Schläfen klopfen. Mund und Hände, später auch die Füße, kribbeln und fühlen sich steif an. 
Manchen erwischt es beim Lesen auf dem Sofa, beim Einschlafen im Bett oder auch aus dem Schlaf heraus. Wirklich, das Ende scheint nah!! 

Der Mediziner nennt diesen Zustand "Hyperventilationssyndrom", d.h. übersetzt ein Zusammenkommen von Symptomen, die entstehen, wenn man zuviel atmet! - Was, sagen Sie, ich muß doch atmen, ich kriege ja gar keine Luft! 
Glauben sie mir: es ist so! Alles, was Sie spüren, ist Ergebnis chemischer Reaktionen in Ihrem Körper, die Sie mit Ihrem Willen erstaunlich gut steuern können. Aber um steuern zu lernen, müssen Sie erst verstehen, was in Ihrem Körper passiert. Dabei soll Ihnen diese Information helfen! Sie soll Ihnen Anregung und Beruhigung vermitteln! Lesen Sie dazu diese Information immer wieder. Spätestens jedesmal, wenn es wieder losgeht! 

Sie wissen, 98 Prozent unseres Selbst ist Tier, ist Reflexen und Instinkten unterworfen, unser Menschsein ist nur eine hauchdünne Schale drum herum. Daher kommt meist erst die Reaktion, später das Denken. Andererseits hält uns auch der Verstand im Griff. Er läßt uns, vor allem in länger dauernden Streßsituationen, anders reagieren, als es das Tier tun würde! Das Tier nämlich liefe sofort weg! 

In beängstigenden und bedrohlichen Situationen beginnt bei allen höheren Lebewesen ein Selbstschutzprogramm abzulaufen, das man mit dem Titel "Vorbereitung für Flucht und Kampf" beschreiben kann. Es bedeutet, daß in kritischen Situationen gekämpft oder - wenn der Feind zu stark ist - davongelaufen wird. 
Zum Rennen und Kämpfen braucht der Körper Sauerstoff und eine exzellente Durchblutung der Muskeln, sonst kommt er nicht weit und der Tiger ist über ihm. Dazu öffnet der Körper im Streß die Adern der benötigten Muskeln maximal und beginnt - anfangs ganz unmerklich - die Atmung zu vertiefen, um Sauerstoff zu laden. Eine gleichzeitige kräftige Durchblutung der Eingeweide kann er sich dabei nicht leisten, deren Durchblutung wird auf ein Minimum reduziert. Stuhlgang, Harndrang und Sexualfunktionen werden ausgeschaltet: man kann ja den Tiger nicht bitten, zu warten, bis alle Geschäfte erledigt sind! So, jetzt ist der Körper fertig zum Start! Es kann losgehen, dem Feind aufs Auge oder auf den nächsten Baum! 

Aber was tut der moderne Mensch? Er schaut seinen zornigen Chef schweigend an und verzieht sich dann stumm aus dem Büro. Er duldet die Hänseleien der Arbeitskollegen, denn allein ist er ja sowieso unterlegen. Er streitet sich nicht mit dem wütenden Ehepartner, denn da sind ja die Kinder und die sollen im Leben nicht allein stehen müssen. Oder der Mensch erlebt den Tod anderer und denkt an seinen eigenen Tod. Was auch immer als letzte Ursache dahintersteckt, im Endeffekt macht eine Lebenssituation Streß und Angst: Man möchte davonlaufen, dem Chef, den Arbeitskollegen, dem Partner, der belastenden Lebenssituation. Oder kämpfen! Aber man läuft nicht davon, man bleibt - ist innerlich gespannt und kreuzunglücklich! 
Würden wir jetzt losrennen, hätte sich der Körper höchst sinnvoll vorbereitet. Adrenalin und Sauerstoff, bis in die Haarwurzeln aufgestaut, würden rasch verbraucht, dann kehrte wieder Ruhe in den Körper ein! 

Was passiert bei dieser Flucht-und-Kampf-Reaktion auf der Ebene der Körperzellen? Hier ein bißchen Chemie zum Verständnis: 

Im Körper herrscht ein sehr exakt geregeltes Milieu, es darf nicht zu sauer und nicht zu seifig sein, der pH muß stimmen: pH7,36-7,44! Sonst gibt es Probleme! Dann könnten die chemischen Reaktionen, welche das Leben der Zellen ermöglichen, nicht mehr ungestört ablaufen. Bei der Zellatmung entsteht laufend Kohlendioxid als Abfallprodukt. Kohlendioxid verbindet sich mit Wasser zu Kohlensäure ist also sauer. Gelangt die Kohlensäure in die Lunge, zerfällt sie wieder in Wasser und Kohlendioxid. Das Wasser bleibt im Körper, Kohlendioxid wird von den Lungen abgeatmet. Mit einem raffinierten Puffersystem, unter Zuhilfenahme der Kohlensäure und ihres Salzes, dem Bikarbonat, gelingt es, im Körper den für die Lebensvorgänge optimalen Säuregrad, den pH 7,4 aufrecht zu erhalten. Wird wenig Kohlendioxid abgeatmet, wird es im Körper sauer. Wird viel abgeatmet, wird es im Körper basischer, seifiger. Dann werden die großen, dicken Eiweißkörper im Blut an ihrem elektrisch negativ geladenen Ende noch negativer und ziehen alles Positive, z.B. Calzium und Magnesium, Kalium und Natrium verstärkt an. 
Calzium hat im Körper die Aufgabe, unsere Nerven, die elektrische Leitungen, an bestimmten Punkten zu isolieren, damit keine Kurzschlüsse entstehen. Wird plötzlich Calzium von den Eiweißkörpern an- und von den Nerven abgezogen, sind die Nerven nicht mehr isoliert: esentstehen Kurzschlüsse". 

Diese Kurzschlüsse machen sich als Angst, Brustdruck mit Atemnot, Kribbeln, Kopfweh und Magenkrämpfe bemerkbar. Der Betroffene kann sich die Situation nicht erklären, seine Angst verstärkt sich. Er denkt, sein Herz bleibt stehen, atmet vor Angst und Brustdruck immer heftiger, glaubt, sich durch tiefes Atmen Erleichterung zu verschaffen. 
Jetzt haben Sie aber schon verstanden - genau das Gegenteil passiert: das Blut wird durch Abatmen von CO2 noch seifiger, die Nerven damit noch zappliger! Beseitigt werden kann dieser Zustand nur - und nur (!), wenn im Körper Kohlendioxid wieder ansteigen darf: wenn das durch die Lebensvorgänge laufend entstehende Kohlendioxid nicht gleich wieder zur Lunge hinausgeatmet wird. 

Früher verstand man diese Situation noch nicht optimal, spritzte Kalzium in die Vene - es schien ja zu fehlen. Und man kann mit so einer Kalziumspritze schlagartig Wärmegefühl und Beruhigung im Körper erzeugen. Auch die gelassene Sicherheit des Arztes trägt ja zur Beruhigung bei. Leider waren Kalziumspritzen nicht ganz ungefährlich. Außerdem wissen Sie jetzt, es fehlt gar kein Kalzium, es ist nur weggebunden. 
Später gab man den Patienten wegen ihrer Angst und Panik Beruhigungsmittel. Die aber machten schlapp und müde für den Rest des Tages. Und es fehlt ja nur Kohlendioxid! 
Als man das verstanden hatte, gab und gibt man Patienten heute noch den Rat, in eine große Tüte hineinzuatmen, um fehlendes Kohlendioxid zurückzuatmen und so rasch wieder im Körper ansteigen zu lassen. 
Jetzt aber fragt der erschrockene Patient: "Was, ich habe doch Atemnot, zu wenig Sauerstoff! Der Doktor wird mich mit seiner Tüte doch nicht ersticken wollen?" 

Sie wissen jetzt: Sauerstoff fehlt Ihnen nicht! Sie können auch versichert sein, niemand erstickt, jeder kann bequem etwa 1 Minute in eine große Papiertüte atmen, ohne zu ersticken (Bitte Tüten nie über den Kopf ziehen!). 

Nur sollte man es vielleicht vorher geübt haben: das erste Mal ausprobieren kann man es nicht mit Angst und Panik im Kopf. Also, üben Sie in einer ruhigen Minute! Sie werden bemerken, daß man einen etwas müden, aber viel ruhigeren Kopf bekommt! Blasen Sie in eine große Papiertüte, nicht in eine Plastiktüte. 

Beruhigend zu wissen: am Hyperventilationssyndrom ist noch nie jemand gestorben! 

Sie können auch versuchen, mit geschlossenem Mund so flach wie möglich zu atmen. Mit Konzentration und Selbstbeherrschung gelingt Ihnen das! Auch dann wird sich Ihr Zustand rasch bessern! 

Soweit die Behandlung des Symptoms! Vor allem aber die Behandlung der Ursachen: Bringen Sie Ihre Lebenssituation ins Gleichgewicht! Versuchen Sie nach außen das zu ändern, was Sie ändern können und versuchen Sie innerlich zu akzeptieren, was Sie nicht ändern können. Das macht Sie gelassener. 

Regelmäßige sportliche Betätigung - immer bei Tageslicht - reduziert ebenfalls den Adrenalinspiegel. Auch Magnesium hilft, gelassener zu sein. 

Noch einmal: die belastende Lebenssituation soll nicht andauern, sie muß besprochen und normalisiert werden! Sonst finden Sie keinen inneren Frieden!

Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie Fragen haben.

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Urheberrechtlich geschützt © Dr. Michael Groh, Hügelsheim - Letzte Änderung: 18.04.2012

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